Die vielen negativen Gedanken, die bei Menschen mit Angststörungen festgestellt werden, können oft auf bestimmte Denkfehler zurückgeführt werden. Die häufigsten Fehler sollen hier zunächst kurz dargestellt werden.
Menschen mit ausgeprägten Ängsten ziehen oft sofort Schlussfolgerungen aus einer Situation, ohne überhaupt Beweise für die Schlussfolgerung zu haben und ohne vorher andere Möglichkeiten ausreichend betrachtet zu haben. Zum Beispiel nehmen Sie an, dass Sie in einer Prüfung versagen werden oder eine Party, die Sie geplant haben, ein Reinfall wird, ohne zu betrachten, dass Sie sich sehr sorgfältig auf die Prüfung oder Party vorbereitet haben.
Ein anderes Beispiel: Der/Die Chef*in grüsst Sie am Morgen nicht und Sie schliessen sofort daraus, dass er/sie bestimmt mit Ihrer Arbeit nicht zufrieden und ärgerlich auf Sie ist. Wahrscheinlich haben Sie für diese Annahme keine anderen Hinweise als die kurze Unfreundlichkeit des Chefs / der Chefin und Sie übersehen, dass es alternative Erklärungen für die Unfreundlichkeit gibt. So ist der/die Chef*in heute vielleicht wieder mal schlecht gelaunt, weil er/sie zu Hause oder mit der Kundschaft Probleme hat.Menschen mit ausgeprägten Ängsten überschätzen typischerweise die Wahrscheinlichkeit, dass ein negatives Ereignis tatsächlich eintreten wird. Sie handeln und fühlen so, als würden mögliche negative Folgen mit Sicherheit, statt als eine von mehreren Möglichkeiten eintreten. Sie denken: «Ich werde bei der Prüfung schlecht abschneiden», und nicht: «Ich könnte schlecht abschneiden.» Sie denken: «Ich werde auf der Party ganz bestimmt langweilig wirken», und nicht: «Ich werde auf der Party mal etwas Spannenderes und mal etwas Langweiligeres zu erzählen wissen.»
Betroffene von starken Ängsten treffen also unrealistische Einschätzungen, die mögliche negative Folgen als sichere Konsequenzen erscheinen lassen. Realistischere Einschätzungen dagegen betrachten den negativen Ausgang einer Situation als eine von mehreren Möglichkeiten.
Betroffene von starken Ängsten überschätzen die negativen Konsequenzen eines Ereignisses. Sie nehmen an, dass wenn sie durch eine Prüfung fallen, die Karriere, die Ehe, ja vielleicht sogar das Leben ruiniert wäre. Sie denken, dass wenn sie bei einer Rede kurz den Faden verlieren, für dumm gehalten werden und die anderen nie mehr etwas mit ihnen zu tun haben wollen.
Sie denken, dass es eine furchtbare Katastrophe wäre, wenn sie in einen Streit mit dem/der Chef*in geraten. Kurz: sie katastrophisieren! Tatsache ist aber, dass Ausrutscher und Konflikte zu unserem Leben gehören. Wir alle machen Fehler, haben schlechte Tage und üblicherweise ist das keine grosse Sache. Auch der Streit mit dem/der Chef*in wird zwar kurzfristig unangenehm sein, aber nach zwei Tagen wird Ihr*e Chef*in wahrscheinlich gar nicht mehr an den Streit denken. Gab es in Ihrem Leben viele Situationen, die so schlimm ausgegangen sind, wie Sie es befürchtet hatten? – Wahrscheinlich nicht! Weil Ängste nicht einfach durch die Situation, sondern vor allem durch die negativen Gedanken, Erwartungen und Befürchtungen bestimmt werden, lohnt es sich, an einer realistischen Einschätzung der Wahrscheinlichkeit und der Konsequenzen negativer Ereignisse zu arbeiten. Damit wollen wir im Folgenden beginnen.