Menschen, die unter starken Ängsten leiden, haben bestimmte Denkweisen, die die Angst aufrechterhalten und/oder sogar verstärken. Diese Denkweisen lassen sich durch Denkübungen und -techniken verbessern. Aber reicht intensives Nachdenken, um die Ängste zu bewältigen? Werden Sie durch das Sammeln von Anhaltspunkten und Beweisen für oder gegen die Gedanken wirklich überzeugt, dass Ihre Befürchtungen nicht eintreten werden oder dass die möglichen Konsequenzen gar nicht so schlimm sind?
Für die meisten Menschen ist das Hinterfragen der negativen Gedanken sehr hilfreich. Aber über die letzten Zweifel, dass trotzdem etwas Schlimmes passieren könnte, kommen sie nicht hinweg. Das ist verständlich! Wie oft in Ihrem Leben haben Sie etwas wirklich gelernt, indem Sie «nur» darüber nachgedacht haben? Haben Sie Autofahren durch gründliches Nachdenken erlernt? – Wahrscheinlich nicht! Vielleicht haben Sie erst darüber nachgedacht, was Sie tun müssen, um loszufahren, aber dann haben Sie sich ins Auto gesetzt und einfach begonnen. Zuerst waren Sie wahrscheinlich noch ziemlich ungeschickt, aber je mehr Sie geübt haben, desto besser wurden Sie.
Genauso funktioniert die endgültige Bewältigung von Ängsten. Wenn Sie etwas nervös macht, sollten Sie erst realistisch darüber nachdenken und dann rausgehen und es ausprobieren. Sie sollten die «Realität testen». Wenn Sie die Realität testen, sammeln Sie neue Erfahrungen und aktuelle Beweise für oder gegen Ihre Gedanken. Der Weg aus der Angst führt letztlich nur über die Angst. Das bedeutet, dass Sie sich angstauslösenden Situationen stellen und die Angst kurzfristig aushalten sollten, um die Angst mittel- und längerfristig überwinden zu können. Dazu schauen wir uns das Beispiel von Sophie an:
Sophie ist jetzt 3 Jahre alt und ihr Vater nimmt sie inzwischen regelmässig mit ins Schwimmbad. Beim ersten Mal wollte Sophie überhaupt nicht ins Wasser und war sehr ängstlich. Sie begann zu schreien, als der Vater ihr die Füsse ins Wasser hielt. Was sollte der Vater in diesem Moment tun? Sollte er stoppen und nicht mehr mit Sophie ins Schwimmbad gehen? Was hätte das für Sophie bedeutet? – Wahrscheinlich hätte sie gelernt, dass Wasser wirklich etwas Gefährliches ist und dass der Kontakt mit Wasser möglichst vermieden werden sollte. Beim nächsten Mal, wenn der Vater versucht hätte, mit Sophie ins Wasser zu gehen, wäre es wahrscheinlich noch schwieriger und schlimmer geworden. Doch zum Glück hat der Vater anders gehandelt. Er hat erst versucht Sophie zu beruhigen und ihr zu vermitteln, dass das Wasser nicht gefährlich ist. Was aber noch viel wichtiger ist: Er ist mit Sophie im Wasser geblieben. Zunächst hat Sophie zwar weitergeschrien, sie hat dann aber realisiert, dass nichts Schlimmes passiert und hat sich langsam beruhigt. Schrittweise konnte der Vater mit Sophie immer tiefer ins Wasser gehen und heute geht Sophie sehr gerne baden. Wenn der Vater beim ersten Schreien nachgegeben hätte und nicht im Wasser geblieben wäre, hätte es wohl lange gedauert, bis der Vater Sophie wieder zurück ins Wasser gekriegt hätte.
Erkennen Sie die Parallelen zu Angststörungen? – Wenn Sie eine angstauslösende Situation vermeiden, machen Sie es sich längerfristig nur schwer. Ihr Kopf wird, ob Sie es wollen oder nicht, die vermiedene Situation als wirklich schrecklich interpretieren. Weshalb sonst sollten Sie die Situation vermeiden?
Wie oft haben Sie andere sagen hören, dass man gleich wieder aufs Fahrrad steigen soll, nachdem man umgefallen ist, oder dass man nach einem Autounfall gleich wieder fahren sollte? – Genauso ist es mit allen angstauslösenden Situationen. Wenn Sie Dinge vermeiden oder vor bestimmten Situationen davonrennen, entstehen rasch völlig übertriebene Befürchtungen, was alles passieren könnte und es wird immer schwieriger mit diesen umzugehen. Auf der anderen Seite: Je mehr Sie etwas machen, desto leichter wird es. Selbst wenn etwas schief geht, wird es kaum schlimmer als Sie befürchtet haben.
Entsprechend besteht der nächste Teil dieses Programms darin, absichtlich und aktiv Situationen aufzusuchen, die sie nervös und ängstlich machen. Das fällt Ihnen am Anfang sicher nicht leicht. Es ist aber der einzige Weg, um absolute Sicherheit zu gewinnen.